Wenn Stahl glüht und zum Messer wird

  • Beitrags-Autor:
  • Beitrag veröffentlicht:2. November 2025
Du betrachtest gerade Wenn Stahl glüht und zum Messer wird

„Das Schmieden ist ganz schön anstrengend“, berichtet Mustafa. Er war gemeinsam mit seiner Klasse 6b letzten Mittwoch auf einem Kulturscoutausflug in der Gesenkschmiede Hendrichs in Solingen. 

In der Solinger Gesenkschmiede wurden von 1886 bis 1986 Schneidwaren, wie z. B. Messer und Scheren für den europäischen Markt gefertigt. Die Konjunkturkrisen führten dann zur Stilllegung des Unternehmens. 

Heute können in der stillgelegten Fabrikhalle die Hämmer, Fräsen, Gesenke, aber auch das Arbeitsumfeld der Arbeiter bestaunt werden. Außerdem gibt man sich viel Mühe Kindern und Jugendlichen die Tätigkeiten in Gesenkschmiede erlebbar und erfahrbar zu machen. Denn alle Maschinen, die Fallhämmer, Pressen und Fräsmaschinen, alle Werkzeuge, und auch die Werkbänke für die Werkzeugmacher sind noch komplett vorhanden. Selbst der Umkleideraum mit den alten Spinden, der Waschraum mit der langen Reihe drehbarer Waschschüsseln, das Maschinenhaus oder das Kontor mit der klappernden Schreibmaschine, sind noch da. 

„Der Riemenfallhammer hat eine Wuncht von 260 kg“, erklärt Wolfgang, der ihn ehrenamtlich den Schülerinnen und Schülern eindrucksvoll präsentiert. Für die Demonstration des Hammers haben sich alle Zuschauer Gehörschutz aufgesetzt, weil sein Knall so laut ist. „Ihr seht, jetzt haben wir das eine Teil der Schere geschmiedet, das nun noch 700 Grad hat. Das muss abkühlen, während wir jetzt das Gesenk für das gegengleiche Teil nehmen und es schmieden“, erzählt er weiter.  

Das Schmieden mit einem riesigen Hammer ist natürlich viel einfacher, als das minutenlange Hämmern am Amboss. Und die Klassen 6b durfte das ausprobieren. Vier ehrenamtliche Helfer standen an den Ambossen bereit, um mit jeder Schülerin und jedem Schüler ein Messer zu schmieden und sie in die Tipps und Tricks des Schmiedens einzuweihen. 

Zuerst mussten sich die Schülerinnen und Schüler Schutzkleidung anziehen: eine Arbeitsjacke, eine Lederschürze, Handschuhe und eine Schutzbrille. Und dann ging’s los. Sie lernten das dosierte gleichmäßige Schlagen mit dem Hammer auf den Amboss und versuchten ihre Schläge ausdauernd und konzentriert einzusetzen. Das war nicht so leicht, aber alle versuchten ihr Bestes zu geben. Ziel war es, dass jede Schülerin und jeder Schüler aus einem Stahlstab, der immer wieder in einem Feuer erhitzt werden musste, ein eigenes Messer schmieden konnte. 

War das Messer in seiner Form ausgearbeitet, wurde es in einem Wassereimer abgekühlt. Dann wurde das fertige Messer noch durch das eigenhändige Schleifen und Feilen verbessert. Es wurde zu diesem Zweck in einen Schraubstock eingeklemmt. Auch hier gab es wieder einige Regeln zu beachten: neben dem Schraubstock stehen, die Späne nicht wegpusten usw. Nach diesen sehr intensiven körperlichen Tätigkeiten konnte dann jeder Einzelne stolz ein eigen hergestelltes Messer vorweisen. 

Neben dem aktiven handwerklichen Arbeiten hatten die Schülerinnen und Schüler zudem die Gelegenheit sich die einzelnen Hämmer anzusehen. Mit dem Bockhammer durften sie sogar kleine Prägungen erstellen. Und kleine Maschinenmodelle zeigten ihnen, durch welche Kraft, die Maschinen, die für die Herstellung nötig waren, aufgebaut waren und wie sie funktionierten. „Ich fand das Modell total interessant, das gezeigt hat, was früher die Dampfmaschinen alles angetrieben haben“, berichtet Lutz.

Zum Schluss wurden noch die Arbeitspritschen der Arbeiter betrachtet und die unterschiedlichen Scherenrohlinge bestaunt. Die Arbeiter, die früher auch in Regalen schliefen, waren als Aufstellfiguren anwesend. Sie standen der Klasse 6b für ein Klassenfoto zur Verfügung. 

Allen Schülerinnen und Schülern ist eindringlich deutlich geworden, dass das Arbeiten in der Gesenkschmiede sehr beschwerlich gewesen sein muss. Außerdem haben sie einen Einblick in technische Verfahrensweisen von Maschinen und in handwerkliche Tätigkeiten bekommen. Sie konnten sich in einer Weise erproben, für die im schulischen Raum wenig Möglichkeit besteht und sind alle mit einem eigen hergestellten Messer und voller neuer bereichenderer Erfahrungen vom Ausflug wiedergekommen. 

Text / Fotos: Claudia Bulut